Gadamer-Stipendien

Die Stipendiaten des Jahres 2023

Brady DeHoust (Texas A&M University, USA)

Ziel meines Projekts ist es, Hans-Georg Gadamers Beitrag zur Religionsphilosophie zu untersuchen. Die Frage, die ich erörtern möchte, lautet: Kann die philosophische Hermeneutik das Verständnis und die Kommunikation genuin transzendenter Phänomene erfassen? Bedeutende Philosophen der zeitgenössischen Phänomenologie haben Möglichkeiten für das Auftreten von Phänomenen artikuliert, die den eigenen Begriffsapparat transzendieren. Obwohl diese Erscheinungsformen religiöse Erfahrung ausmachen, fordern sie die Bedingungen von Kommunikation, Gemeinschaft und Solidarität heraus. Ich beabsichtige, Stellen in Gadamers Schriften zu untersuchen, in denen er Fragen der Transzendenz diskutiert, insbesondere solche, die sich auf die Religion beziehen, um Gadamers Ressourcen zur Entwicklung der hermeneutischen Dimensionen transzendenter Phänomene zu erkunden – Dimensionen, die für ein gemeinsames Verständnis erforderlich sind. Mein Forschungsprojekt versucht, die in der neueren Phänomenologie gewonnenen Erkenntnisse über die Erfahrung von Transzendenz sowohl zu ergänzen als auch in Frage zu stellen und zum Verständnis von Gadamers Sichtweise der Beziehung zwischen Sprache und transzendenten Phänomenen beizutragen.

Antoine Pageau-St-Hilaire (University of Chicago, USA)

Obwohl oft behauptet wird, dass Gadamer ein Neo-Aristoteliker war, befasst sich die Forschung zu Gadamer und Aristoteles fast ausschließlich mit seiner Aneignung des aristotelischen Begriffs der Phronesis in Wahrheit und Methode. Gadamers Interpretation von Aristoteles ist jedoch komplexer. Unter dem Titel „Ethik ohne Metaphysik? Gadamers Aristoteles zwischen Aneignung und Kritik“ ist mein Forschungsvorhaben der erste Versuch, Gadamers Aristoteles-Rezeption umfassend zu untersuchen. Ziel ist es, durch philosophische und philologische Analysen zu bestimmen, wie Gadamer die aristotelische Philosophie als Ganzes verstand, zu zeigen, wie seine Aristoteles-Interpretation die Entwicklung der philosophischen Hermeneutik beeinflusste, und auf der Grundlage einiger Probleme seiner Aneignung von Aristoteles‘ Werk eine Kritik der Gadamerschen Hermeneutik zu entwickeln, die Ressourcen aristotelischen Denkens sichtbar zu machen vermag, die Gadamer möglicherweise vernachlässigt hat.

Die Stipendiaten des Jahres 2022

Mit je 1.000 Euro dotierte Gadamer-Stipendien erhalten Max Forster (Stanford University, USA) und Janice Trinh (Université de Montréal, Kanada). Max Forster wird ausgezeichnet für sein Aufsatzprojekt „Hermeneutik zweiter Stufe: Gadamers Platon-Studien und das Problem der Interpretation von Interpretationen“. Janice Trinh erhält ein Gadamer-Stipendium für ihr Dissertationsvorhaben zu Gadamers Hermeneutik als Kulturphilosophie.

Gadamer-Stipendien 2023

Die Hans-Georg Gadamer-Gesellschaft für hermeneutische Philosophie e.V. vergibt für das Jahr 2023 zwei mit je 2.000 Euro dotierte Gadamer-Stipendien zur Auszeichnung und finanziellen Unterstützung wissenschaftlicher Projekte, die sich auf philosophisch belangvolle Weise mit Hans-Georg Gadamers gedrucktem Werk oder den nicht edierten Beständen seines im Deutschen Literaturarchiv Marbach und zu einem kleineren Teil im Universitätsarchiv Heidelberg verwahrten Nachlasses befassen.

Bewerben können sich Examenskandidatinnen und -kandidaten in Master-, Magister- oder Lehramtsstudiengängen, die ein vielversprechendes Thesis- oder Aufsatzprojekt verfolgen, ebenso Doktoran­dinnen und Doktoranden oder bereits Promovierte, deren Promotion nicht länger als zwei Jahre zurückliegt.

Bewerbungsunterlagen können in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden. Sie sollten folgende Dokumente enthalten:

  • eine Projektbeschreibung im Umfang von fünf Seiten (anderthalbzeilig, Schriftgröße 12)
  • ein Abstract im Umfang von nicht mehr als 250 Wörtern
  • ein Begleitschreiben im Umfang von nicht mehr als einer Seite
  • einen tabellarischen Lebenslauf
  • Kopien von Zeugnissen und ggf. eine Publikationsliste
  • ein projektbezogenes Empfehlungsschreiben einer Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers.

Die Bekanntgabe der Stipendiat:innen und der Themen der bewilligten Stipendien erfolgt am 13. März 2023. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse der ausgezeichneten Projekte durch die Stipendiat:innen publiziert werden.

Bewerbungen sind per E-Mail an den Präsidenten der Hans-Georg Gadamer-Gesellschaft zu richten:

praesident@gadamer-gesellschaft.de

Bewerbungsschluss ist der 31. Januar 2023.